Viele Wildtiere lassen sich nicht direkt beobachten – zumindest nicht dauerhaft. Für die langfristige Datenerhebung sind geeignete Fernerkundungsinstrumente erforderlich. Je besser das Verhalten und der Lebensraum der Wildtiere bekannt sind, desto genauer kann man ihre Bedrohung einschätzen und Schutzmaßnahmen einleiten.
KI zur Akustikverarbeitung
Eine interessante Technik der Fernerkundung wird seit einiger Zeit im Meeresgebiet um Südafrika getestet. Das sogenannte passive akustische Monitoring (PAM) kann dort zur Untersuchung gefährdeter Delfinpopulationen eingesetzt werden. Die Forscher wissen, dass sich Delfine beim „Namen“ rufen. Der Name eines Delfins, also der Ruflaut, geht auf die Zeit zwischen Mutter und Kalb zurück. Im Erwachsenenleben bleibt der Rufton erhalten.
Die Forscher wollten die Delfine zählen und kamen auf die Idee, sich die Ruftöne zunutze zu machen. Allerdings ist der Ozean voll von natürlichen und künstlichen Geräuschen und es ist kompliziert, bestimmte Töne herauszuhören. Der Forschungsansatz basiert daher auf dem Training einer KI mit bekannten, annotierten Geräuschen. Im Fokus stand insbesondere der gefährdete Bleifarbene Delfin (Sousa plumbea), der um Südafrika lebt. Insgesamt wurden 723 Minuten akustische Daten mit Pfeiflauten, Burst-Puls-Signalen und Echolokationsklicks verschiedener Delfinarten zum Training verwendet.
Die südafrikanischen Bleifarbenen Delfine bewohnen flache, felsige und sandige Küstengebiete, in denen es viele Störgeräusche unter Wasser gibt. Und nahe der Küste gibt es auch Motorgeräusche von Schiffen, Industrielärm und Ähnliches. Obendrein gibt es andere Delfine im gleichen Ökosystem, die sich ähnlich wie Bleifarbene Delfine verständigen. Und das macht die Ermittlung der Populationsgröße schwierig.
Erste Ergebnisse des Demosystems
Die von den Forschern trainierte KI (Convolutional Neural Networks (CNNs)) sollte in der Lage sein, aus Unterwasseraufnahmen die Delfingeräusche herauszuhören. Das Team konnte die Leistungsfähigkeit des Systems erfolgreich demonstrieren und hat die Software als Open-Source-Anwendung veröffentlicht. Das erfolgreichste KI-Modell erreichte eine Genauigkeit von 84,4 % für alle Delfinlaute im Testdatensatz. Der beste sogenannte Mehrklassen-Artklassifikator erzielte 96,9 % Genauigkeit bei der Erkennung von Bleifarbenen Delfinen.
Die Anzahl der noch in südafrikanischen Gewässern lebenden Bleifarbenen Delfine wird auf unter 500 geschätzt. 🙁 Auch jetzt weiß man die genaue Anzahl noch nicht. Aber es wurde beobachtet, dass die Gruppengröße anscheinend kleiner geworden ist. Mithilfe der neuen Technik wird man vermutlich bald genauere Daten erheben können.
Mehr dazu:
- Guilherme Frainer, Emmanuel Dufourq, Jack Fearey, Sasha Dines, Rachel Probert, Simon Elwen, Tess Gridley (2023), Automatic detection and taxonomic identification of dolphin vocalisations using convolutional neural networks for passive acoustic monitoring, Ecological Informatics, Volume 78, 102291, ISSN 1574-9541, https://doi.org/10.1016/j.ecoinf.2023.102291
- SouSA – African Humpback dolphins (Study on endangered Indian-Ocean humpback dolphins)