Springe zum Inhalt

Wie KI-Filter bei verstörenden Bildern helfen können

Im Nachrichtengeschäft nimmt die Menge an medialen Inhalten exponentiell zu, und damit auch die Häufigkeit potenziell verstörender und traumatisierender Bilder. Beruflich betrifft das insbesondere Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die sich mit Bildern von Gewalt, Leid oder Zerstörung auseinandersetzen müssen. Solches Bildmaterial kann Angst oder Unruhe auslösen und in extremen (vorbelasteten) Fällen zu sekundären Traumata führen.

Konventionelle Methoden zur Abschwächung solcher Bilder basieren auf Bildfiltern wie Weichzeichnern. Durch derartige Filter werden jedoch entweder zu viele oder zu wenige Informationen verdeckt. KI-Technologie kann vielleicht dabei helfen, dieses Problem zu lösen. KI kann Bilder derart transformieren, dass sie ihr Erscheinungsbild ändern.

Studiendesign

Wissenschaftler haben untersucht, inwieweit KI-gestützte Stilübertragungsfilter den emotionalen Stress durch das Betrachten von verstörenden Bildern mindern können. In der Studie kamen drei verschiedene Filter zum Einsatz: Bleistiftzeichnung, farbige Zeichnung und Gemälde. Untersucht wurde, ob die Filter bei Bildern mit expliziten Szenen von Gewalt und Verletzungen von Nutzern besser angenommen werden als herkömmliche Weichzeichner.

An der Studie nahmen 107 Teilnehmer aus einschlägigen Berufsfeldern teil. Ihre Aufgabe war es, die emotionalen Auswirkungen der gefilterten Bilder und den Grad der beibehaltenen Bilddetails zu bewerten. Die Mehrheit der Teilnehmer war zwischen 30 und 45 Jahren alt. Ein Drittel gehörte zu den 45- bis 60-Jährigen. Etwa 20 Prozent waren unter 30 Jahren. Über die Hälfte der Personen identifizierte sich als Männer, gefolgt von etwa 40 Prozent Frauen und 4 Prozent nichtbinären Teilnehmern.

Das Bild zeigt sechs Variationen derselben Szene, in der ein Soldat einen verletzten Kameraden auf dem Rücken trägt. Oben links: Die originale Fotografie mit scharfen Details. Oben Mitte: Eine skizzenartige, schwarz-weiße Zeichnung der Szene. Oben rechts: Eine farbige Zeichnung, die den Soldaten in gedeckten Tönen darstellt. Unten links: Eine malerische Version mit weichen Pinselstrichen und warmen Farben. Unten Mitte: Das Bild mit teilweiser Unschärfe, wobei nur die Köpfe und Gliedmaßen der Figuren verschwommen sind. Unten rechts: Eine vollständig unscharfe Version der Szene, bei der alle Details vernebelt sind.

Abbildung: Beispiele für KI-basierte und konventionelle Filter aus der Studie, CC BY-SA 4.0

Ergebnisse der Studie

Der KI-Filter „Bleistiftzeichnung“ zeigte sich als besonders effektiv: Er verringerte die negativen emotionalen Reaktionen um durchschnittlich 34 Prozent, während die Teilnehmer gleichzeitig angaben, dass 97 Prozent der Bilddetails erhalten blieben. Im Vergleich dazu wurden bei den traditionellen Weichzeichnern lediglich knapp sieben Prozent der Bilddetails beibehalten. Der „farbige Zeichnung“-Filter erzielte nur etwa den halben Effekt.

Auch der KI-Filter „Malerei“ zeigte gute Erfolge. Er reduzierte negative Gefühle um 38 Prozent. Die stärkste Minderung wurde bei Gefühlen wie „verstört“ und „aufgewühlt“ festgestellt. Allerdings kann der Malereistil Bilder weniger gut abmildern, denn die starke Abstraktion des Filters kann auch eine emotionale Belastung erzeugen.

Das „Teilweise Weichzeichnen“ brachte zwar eine emotionale Entlastung von etwa 25 Prozent. Am schlechtesten schnitt der „Weichzeichnen“-Filter ab, denn er führte zum Verlust von Bildinhalten. Lediglich 6,54 % der Teilnehmenden konnten das betreffende Bild korrekt identifizieren.

Ausblick

In der Untersuchung stellte sich der „Bleistiftzeichnung“-Filter bei den Teilnehmern als besonders effektiv heraus. Es waren noch genügend Bildinhalte verfügbar, bei gleichzeitiger Reduktion des emotionalen Stresses. Die Teilnehmer schlugen vor, dass Softwareprodukte zur Bildbetrachtung als vorbereitenden Schritt zunächst das ganze Bild entfremden sollten.

Auch wenn die Praxis bisher nicht so weit ist, zeigte die Studie, dass KI-basierte Filter ein vielversprechendes Werkzeug sein können, um den psychischen Stress durch verstörende Bilder zu reduzieren. Gleichzeitig bleibt ausreichend viele und wichtige Bildinformationen für die professionelle Bildauswertung erhalten.

Mehr dazu:

  • Preprint: Sarridis, I., Spangenberg, J., Papadopoulou, O., & Papadopoulos, S. (2024). Mitigating Viewer Impact From Disturbing Imagery Using AI Filters: A User-Study. International Journal of Human–Computer Interaction, 1–12. https://doi.org/10.48550/arXiv.2307.10334

👉 Auf Mastodon kommentieren