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Parkinson-Überwachung per Video: KI gegen Neurologen im Vergleich

Parkinson ist die am schnellsten wachsende neurologische Erkrankung weltweit, und bis heute gibt es keine Heilung. Trotz der Fortschritte bei der Behandlung und der Möglichkeit, Symptome zu lindern, haben viele Betroffene keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu neurologischer Versorgung.

Ein Hauptsymptom der Parkinson-Krankheit ist die Bewegungsverlangsamung. Um diese zu diagnostizieren, wird häufig ein einfacher, sogenannter Fingertipp-Test durchgeführt. Dabei soll der Patient so schnell wie möglich mit dem Daumen die Spitze des Zeigefingers berühren. Videos dieser Tests wurden in der Vergangenheit in kleinen Studien bereits mit Computern ausgewertet. Hierbei kommt maschinelles Lernen zum Einsatz.

Schwierig an diesem Unterfangen ist, dass viele KI-Modelle auf perfekte, störungsfreie Videos aus klinischen Umgebungen trainiert sind. Dadurch versagen sie eher in Alltagssituationen, etwa zu Hause. Für eine praktische Anwendung müssten die Computer in der Lage sein, überall auf der Welt einfach nur auf der Basis einer Webcam den Fingertipp-Test analysieren zu können.

Neue Studie mit Alltagsvideos

Forschende haben daher in einer neuen Studie Videos von über 250 Teilnehmern gesammelt, die den Test größtenteils von zu Hause aus durchführten. Dabei wurde die Plattform Parktest.net zu Hilfe genommen. Es sollte untersucht werden, wie KI-Systeme bei der Einschätzung des Fingertipp-Tests gegenüber erfahrenen Experten abschneiden. Für die Bewertung gibt es eine sogenannte Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS).

Von den 250 Probanden hatten 172 Parkinson, die übrigen 78 bildeten eine Kontrollgruppe ohne die Erkrankung. Jeder Teilnehmer nahm den Test mit beiden Händen per Video auf, was insgesamt 500 Videos ergab. Eine kleinere Gruppe von 48 Teilnehmern absolvierte den Test unter Aufsicht in einer Klinik, wobei die gleiche Online-Plattform verwendet wurde. Die Videos wurden anschließend von drei erfahrenen Neurologen bewertet, die auf Parkinson-Forschung spezialisiert sind. Nach einer Qualitätskontrolle blieben 489 Videos für die Analyse übrig.

Weiterhin gab es noch zwei unabhängige Bewerter, ebenfalls mit Erfahrung auf dem Gebiet von Parkinson. Ihre Aufgabe bestand später darin, die Leistung von KI-Modellen mit den Bewertungen der drei Spezialisten zu vergleichen.

Vergleich mit interessanten Ergebnissen

Die drei Neurologen stimmten in ihrer Bewertung bei fast einem Drittel der Videos vollständig überein, und in 93 Prozent der Fälle stimmten mindestens zwei Experten in ihrer Einschätzung der Krankheitsschwere überein. Auf der anderen Seite konnten die KI-Modelle fast so präzise wie die erfahrenen Neurologen und besser als weniger spezialisierte Fachkräfte die Videos bewerten.

Daraus ergeben sich folgende Erkenntnisse:

  • Experten können Parkinson-Symptome in Videos, die aus der Ferne zu Hause aufgenommen wurden, zuverlässig bewerten. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dafür in eine Klinik oder Arztpraxis zu fahren.
  • Ein KI-Modell kann die Fingerbewegungen aus dem Video fast so genau analysieren wie Fachärzte.
  • Die Methodik ist fair und funktioniert unabhängig von Geschlecht, Alter oder Krankheitszustand.

Gute Chancen für die Zukunft

Auf der Basis dieser Erkenntnisse und einer Weiterentwicklung könnte das langfristige Ziel erreicht werden, Menschen mit Parkinson eine kontinuierliche Beobachtung ihrer Symptome zu ermöglichen. Das Besondere an Parkinson ist nämlich, dass die Krankheit oft in Phasen verläuft. Symptome können sich je nach Tageszeit oder Medikamenteneinnahme ändern. Daher könnten regelmäßige Tests zu Hause dabei helfen, diese Schwankungen besser zu überwachen und die Behandlung individuell anzupassen.

Eine große Hilfe wäre auch in Regionen gegeben, in denen der Zugang zu Neurologen stark eingeschränkt ist. Dort könnte ein KI-gestütztes System den Patienten bei ihrer Selbstüberwachung helfen.

Dazu müssten noch einige Herausforderungen gelöst werden. Bei höheren Schweregraden der Erkrankung war das KI-Modell weniger genau als die Ärzte. Weiterhin könnten sehr ungünstige Aufnahmeorte zu Hause, etwa mit schlechter Beleuchtung, die Videoqualität stark beeinträchtigen und eine digitale Auswertung erschweren oder verfälschen. Ein KI-Modell darf auch keinen Bias hinsichtlich Geschlecht, ethnischer Herkunft und Krankheitszustand aufweisen. Eine solche Software müsste bei allen Menschen gleich zuverlässig funktionieren.

Unter dem Strich zeigt die Studie großes Potenzial von KI im Gesundheitswesen bei der Betreuung von Menschen mit Parkinson.

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