Auch in der Klimavorhersage wird künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt. Wissenschaftler versuchen, Extremwetterereignisse besser vorherzusagen. Extreme Wetterphänomene wie Hitzewellen, Dürren oder Starkregen führen meist zu schweren wirtschaftlichen, gesundheitlichen oder infrastrukturellen Schäden. Sie sind leider schwer lokal vorhersagbar und treten relativ selten auf. Doch generell haben die Intensität und Häufigkeit solcher Ereignisse in den vergangenen Jahren aufgrund der Erderwärmung zugenommen.
Feuerwehr, THW, Landwirte, politische Entscheidungsträger und weitere Organe benötigen zuverlässige Vorhersagen über Eintrittswahrscheinlichkeiten extremer Wetterereignisse. Mithilfe solcher Informationen könnten sich betroffene Regionen besser vorbereiten. Etwas Ähnliches sehen wir gerade in Brandenburg entlang der Oder, wo seit Tagen bekannt ist, dass eine Hochwasserwelle kommen wird – jedoch nicht aufgrund einer Vorhersage, sondern wegen bereits gefallenen Starkregens in Nachbarländern.
Forschungsansätze
Studien haben gezeigt, dass es in der Wetterbeobachtung Muster gibt, die mit künstlicher Intelligenz erkannt werden können. Wenn eine KI aus dem üblichen „Wetterchaos“ besser schlau werden kann, lässt sich damit vielleicht die Vorhersagbarkeit von extremen Wetterlagen verbessern. Das Ganze basiert auf maschinellem und tiefgehendem Lernen (Deep Learning). Diese Technologie kann riesige Datenmengen verarbeiten und versteckte Zusammenhänge erkennen. Ähnliche Verfahren werden in der Medizin verwendet.
Zunächst können derartig trainierte KIs die kurzfristigen Wettervorhersagen verbessern. Darüber hinaus besitzen sie die Fähigkeit, Prognosen für Wochen bis zu Jahrzehnten zu liefern. In der praktischen Anwendung wären bereits halbwegs zuverlässige Vorwarnungen für mehrere Wochen sehr nützlich. Heutzutage sind Vorhersagen über sieben Tage hinaus als Faustregel eher ungenau.
Hybridmodelle, in denen KI-Modelle mit physikalischen Klimamodellen verbunden sind, scheinen vielversprechend zu sein. Die Stärke der KI ist die Erkennung von Mustern aus Massendaten, und die Klimamodelle kennen die physikalischen Grundlagen. Solche Kombinationen haben in Untersuchungen gezeigt, dass sie Vorhersagen von Extremereignissen auf längeren Zeitskalen verbessern.
Trainingsdaten sind Key
Wie so oft liegt eine der Herausforderungen in den Trainingsdaten. Die Wetterdaten müssen hochauflösend und vollständig zur Verfügung stehen. Doch genau das stellt ein Problem dar: Sie stehen nicht immer flächendeckend zur Verfügung und auch nicht immer hochauflösend genug. Auch die Modelle weisen noch Defizite auf, die zu Fehlvorhersagen führen können. Ebenso ist es möglich, dass Modelle keine Extremwetter vorhersagen können, die sie „noch nicht gelernt“ haben. Eine KI kann eben nur das, was sie gelernt hat. „Bauchgefühl“ oder „ein richtiger Riecher“ sind da nicht vorhanden.
Für die Zukunft bedeutet das, dass bei der Gewinnung und Speicherung von Wetterdaten bereits auf deren Eignung für KI-Training geachtet werden sollte. Auch eine enge internationale Zusammenarbeit mit entsprechender Bereitstellung gesammelter Daten für die Wissenschaft ist sehr wichtig. Ein weiteres Problem sind alte Klimamodelle. Die Wirkung der menschengemachten Erderwärmung auf das Klimasystem ist heftiger als früher angenommen oder berechnet. Ebenso ist die Dummheit der Menschen nahezu grenzenlos.
Nach wie vor wächst die Weltwirtschaft ungebremst, als gäbe es kein Morgen. Die Fähigkeit der Ozeane, Kohlendioxid zu speichern, nimmt langsam ab. Die Biomasse der Welt stirbt zunehmend durch Trockenheit. Viele Klimamodelle basieren auf älteren Daten, in denen die heutige Eskalation nicht enthalten ist. Dadurch werden die Auswirkungen unterschätzt, genauer „zu gering“ berechnet.
Vorteile der KI
Physikalische Wetter- und Klimamodelle basieren auf der verstandenen Physik. Doch was ist, wenn die Menschheit einen Zusammenhang bisher nicht erkannt hat oder ihn physikalisch nicht beschreiben kann? Künstliche Intelligenz hat gezeigt, dass sie nicht lineare Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen erkennen kann, ohne dass die zugrunde liegenden physikalischen Prozesse vollständig verstanden sein müssen. Das ist ein großer Vorteil bei der Erforschung des Unbekannten.
Einige KI-Systeme konnten bereits nachweisen, dass sie bei kurzfristigen Wettervorhersagen die bestehenden Modelle des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (European Centre for Medium-Range Weather Forecasts, ECMWF) übertreffen.
Wo geht die Reise hin?
Der Forschungsschwerpunkt liegt nun auf KI-unterstützten Prognosen für längere Zeiträume. Vieles hängt an erstklassigen Daten, modernen Modellen und der Reproduzierbarkeit der Prognosen. Wir benötigen leistungsfähige, aktuelle hybride Modelle, die die Stärken vorhandener Techniken bestmöglich ausschöpfen. Und dafür benötigen die Meteorologen in ihren Reihen natürlich auch erstklassige KI-Forscher. Wären sie erfolgreich, dürfte eine neue Ära der Klimavorhersage eingeläutet werden.
Mehr dazu:
- Materia, S., García, L. P., van Straaten, C., O, S., Mamalakis, A., Cavicchia, L., Coumou, D., de Luca, P., Kretschmer, M., & Donat, M. (2024). Artificial intelligence for climate prediction of extremes: State of the art, challenges, and future perspectives. WIREs Climate Change, e914. https://doi.org/10.1002/wcc.914