In der IT-Branche versucht man seit vielen Monaten gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Es heißt oft: „Nein, KI wird die Arbeitskräfte nicht ersetzen, sie unterstützt die Mitarbeiter und steigert die Produktivität.“ oder „Durch KI entfallen nicht direkt Jobs, sondern Mitarbeiter mit KI-Skills werden bessere Chancen haben, als die ohne das Wissen.“ Ha, bei der zweiten Variante schwingt der Jobverlust leicht mit.
Okay, das betrifft hauptsächlich die „Computer-Menschen“, die „irgendwas“ mit IT machen oder in der Kreativbranche arbeiten, und sich mit KI weiterhin austoben können. Aber die Rechnung wird hier ohne die Kunden gemacht. Diese wollen immer Geld sparen und Profite maximieren. Immer! Zumindest im Kapitalismus. Und mit dem müssen wir uns schließlich herumplagen.
Jobverlust ist leicht möglich
Gefährlich wird es, wenn der Mensch als Beschäftigter nur dazwischengeschaltet ist, also gewissermaßen nur etwas transportiert. Der Nachrichtensprecher transportiert nur die Nachrichten. Einen Text sprechen kann auch ein Computer mit Sprachsynthese. Und die ist heute bereits so gut, dass man mit Deepfakes Menschen hereinlegen kann. Also kann man die Nachrichten auch von einem Computer sprechen lassen.
Es geht weiter: Menschen, die visuell etwas verkaufen. Unternehmen könnten diese Jobs komplett durch voll animierte Avatare ersetzen, die dann komplette Shopping-Kanäle moderieren. Halbautomatisch und von wenigen Mitarbeitern vom Computer aus gesteuert.
Gleiches bei Radiomoderation. Bei vielen Radiosendern wird nur zwischen den Musikstücken und der Werbung etwas Belangloses moderiert. Echte Wortbeiträge sucht man vergebens. Auch das lässt sich komplett mit einem Computer erledigen und schon sind die nächsten Leute erwerbslos.
Und nun kommen wir zur Modebranche. Kunden müssen die Fotografen, Grafikdesigner, Studios, Models usw. bezahlen. Und je weitgehender die Rechte am Bildmaterial sein sollen, desto teurer wird das Honorar. Das kann man sich mit KI alles sparen, wenn synthetische Avatare die Mode einfach auftragen. Die Produktpräsentation ließe sich sogar live im Browser animieren. Und zack, sind gleich mehrere Jobkategorien in einer Branche durch KI-ersetzt, einschließlich der Modelagenturen.
Es ist bereits Realität
All das ist bereits Realität, doch viele Endkunden – also die Verbrauchen – merken es nicht. Selbst wenn man es merkt, mag es anfangs vielleicht Widerstände geben. Doch schließlich gewöhnt man sich an alles Neue und es wird selbstverständlich. Dann wird zukünftig das schicke Top mit Jeans eben von einem täuschend echten attraktiven Avatar präsentiert. Gekauft wird schließlich das Kleidungsstück.
Die Modewelt steht dadurch vor einem revolutionären Wandel: KI-generierte Köpfe oder Körper kombiniert mit digitalen Hintergründen könnten bald der neue Standard in der Branche werden. Als das spanische Modehaus Mango im Juli 2024 seine Sommerkollektion mit einem KI-Model präsentierte, soll angeblich selbst der CEO den KI-Avatar nicht erkannt haben. In der Öffentlichkeit kommt die Kampagne momentan nicht so gut an. Aber die Zeit wird den Unternehmen bestimmt in die Karten spielen.
Auch große Versandhändler arbeiten seit vielen Jahren mit KI und ebenfalls mit generativer KI für Texte und Fotos. Bei den zu verarbeitenden Massendaten ist KI genau an der richtigen Stelle und kann für die Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg generieren. Das schlägt direkt auf die Mitarbeiter durch. Auch bei Zalando werden bestimmte Bildmaterialien heute ohne Set am Computer produziert.
Das Kosteneinsparpotenzial ist enorm
Für viele Unternehmen bieten KI-gestützte Fotoproduktionen zahlreiche Kostenvorteile:
- Die Model-Honorare entfallen.
- Die Modelagenturen werden nicht mehr benötigt.
- Die Fotostudios werden nicht mehr benötigt.
- Das teure Fotoequipment und die Beleuchtung entfallen.
- Reisen für Fotoshootings sind unnötig.
- Vertragsangelegenheiten müssen nicht mehr geregelt werden.
- Requisiten müssen nicht mehr herangeschafft werden.
- Location-Scouts entfallen.
- usw.
Auch in der IT-Branche werden tausende Mitarbeiter entlassen. Die internen IT-Kräfte bauen quasi die IT, damit die Geschäftsleitungen dann Personal abbauen können. Und dabei gehen sie im Gedanken an die Profitmaximierung brutal vor.
Beispiele für Jobverluste
Auf dem Kapitalmarkttag der Deutschen Telekom erläutere CEO Höttges, dass die Telekom durch den KI-Einsatz in den nächsten Jahren deutliche Kostensenkungen erwartet. So soll die Produktivitätssteigerung bei der Steuerung der Netze 20 bis 30 %, bei der Softwareprogrammierung 20 bis 30 % und bei der Analyse von Verträgen sowie ihrer Erstellung 10 % betragen. Mit diesen Steigerungen geht ein weiterer Personalabbau einher. Gleichzeitig wurde der höchste Dividendenvorschlag der Unternehmensgeschichte verkündet. Bereits 2023 plante die Telekom-Tochter T-Mobile US Inc. rund 5.000 Stellen, etwa 7 % der Belegschaft, abzubauen und teilweise durch KI zu ersetzen.
Auch der Verlag Axel Springer hatte 2023 einen Arbeitsplatzabbau in den Bereichen Produktion, Layout, Korrektur und Administration angekündigt. Bei der Layoutgestaltung solle etwa KI eingesetzt werden. Der Abbau geht allerdings mit kriselndem Printgeschäft einher.
Von TikTok war Ende 2024 zu lesen, dass das Unternehmen für die Inhaltsmoderation mehr KI einsetzen und deshalb in Malaysia fast 500 Mitarbeiter entlassen will. Dieser Abbau kommt, obwohl nach Aussagen des Unternehmens bereits 80 % der Verstöße automatisch entfernt werden.
Der polnische Radiosender Off Radio Krakau „pilotiert“ angeblich drei Monate lang die KI-Generierung von Texten und Moderation, einschließlich KI-erstellter attraktiver Avatare. The Register berichtet, dass zuvor mehrere Mitarbeiter entlassen wurden. Laut dem Radiosender wurden dagegen nur befristete Stellen nicht weiter verlängert, die nur einmal pro Woche eine Sendung moderiert haben. Diese „Lücken“ lassen sich nun prima stopfen, denn die KI-Avatare sollen von Montag bis Freitag täglich ein zweistündiges Programm gestalten.
Man sollte daher nicht allzu naiv sein. KI, insbesondere generative KI, ist eine disruptive Technologie. Sie fegt durch unsere Landschaft, wie früher die Autos zwischen den Pferdekutschen und die Smartphones zwischen den klobigen klassischen Mobiltelefonen. Es wird mit Sicherheit viele Jobs kosten und die angeblichen „neu zu schaffenden“ Job werden den Verlust sicherlich nicht kompensieren. Denn beim Kostensparen ist der Mensch mit seinen Personalkosten schlicht im Weg. Wenn man ihn durch einen billigen Computer ersetzen kann, dann werden die Geschäftsführer es tun.