Im Sommer ist Hochbetrieb in Schwimmbädern. Alle Hände voll zu tun für Bademeister. Doch Bademeister können auch mal abgelenkt sein, wenn sie gerade mit jemandem reden oder in eine andere Richtung schauen müssen. Von Tumulten unter pöbelnden Badegästen ganz abgesehen. In diesen Momenten kann man vielleicht einen Badegast in Schwierigkeiten nicht erkennen.
Ertrinkende Menschen zu erkennen, ist ohnehin nicht leicht, denn sie schreien nicht herum, wie im Film. Die fuchteln auch nicht mit den Armen oder winken. So etwas gibt es nur in dümmlichen Drehbüchern. Ertrinkende Menschen haben genug damit zu tun, entkräftet nach Luft zu schnappen und können gar nicht schreien. Zudem gelangt beim Ertrinken Wasser in die Luftröhre und Lunge. Dadurch verkrampft die Stimmritze im Kehlkopf, um die Lunge zu schützen. Damit sind Hilferufe dann erst recht unmöglich.
Seit vielen Jahren gibt es zur Unterstützung der Bademeister Videoüberwachungssysteme. Doch in letzter Zeit versucht man, mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Bewegungsmuster von Menschen in Schwimmbecken zu überwachen. Erkennt die KI typische Anzeichen für Ertrinken, soll sie Alarm schlagen. Das gilt auch für Personen, die zu lange unter Wasser bleiben, und bei denen man sich nicht mehr sicher sein kann, ob sie tauchen oder ertrinken.
Der Rollout beginnt langsam
In Freudenstadt, Baden-Württemberg, wird eine innovative Technologie getestet, die das Schwimmen sicherer machen soll: Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Bademeister dabei, potenzielle Gefahren im Schwimmbad frühzeitig zu erkennen. Im Panorama-Bad überwachen 15 Kameras das Geschehen in den vier Becken und analysieren mithilfe von KI die Bewegungen der Schwimmer. Das System ist in der Lage, mögliche Notfälle zu erkennen, bevor sie eskalieren, was den Rettern wertvolle Sekunden verschaffen kann.
Bisher sind es zwar nur wenige, aber immer mehr Schwimmbäder setzen diese Technik zum Schutz der Badegäste ein. Wiesbaden etwa hat 2020 im Frei- und Hallenbad Kleinfeldchen ein System des Start-ups Lynxight aus Tel Aviv in Israel im Einsatz. Erkennt die KI eine Gefahrensituation, sendet sie einen Alarm und Bilder an die Smartwatch der Aufsicht. Die KI wird dabei direkt vor Ort weiter trainiert. Bei jedem Fehlalarm wird ihr der Irrtum mitgeteilt. Die Kosten liegen bei 30.000 bis 40.000 EUR pro Jahr. Vielen Städten ist das aber zu teuer.
Auch die Stadtwerke München (SWM) haben das Überwachungssystem aus Israel im Einsatz. Im Jahr 2022 haben sie das System während regulärer Instandhaltungsmaßnahmen zusätzlich eingebaut und pilotieren es zwei Jahre lang. Es wird kein Personal ersetzt, sondern das vorhandene Personal unterstützt.
Vorausschauende Gefahrenerkennung
Die Kameras zeichnen die Bewegungen auf und das System rechnet sie in Vektoren und Bewegungsmuster um. Es werden also keine personenbezogenen Daten wie Gesichter erfasst. Die KI basiert auf maschinellem Lernen. Laut Hersteller wurde das System mit über 100.000 Stunden Trainingsmaterial gefüttert. Dabei wird den Schwimmbädern kein Produkt verkauft, sondern „Safety-as-a-Service“. Neuinstallationen sind dadurch bereits nach wenigen Tagen einsatzbereit.
Ein weiterer Vorteil des Systems besteht in seiner vorausschauenden Handlungsweise. Die KI verfolgt Bewegungsmuster und kann so verdächtige Situationen bereits frühzeitig melden. Das gilt auch, wenn sich etwa ein Kind im Schwimmerbecken zu weit von den Eltern entfernt. Experten haben sich diesbezüglich sehr positiv geäußert.
Weiter lesen:
- Künstliche Intelligenz soll im Schwimmbad Leben retten, hessenschau, 04.04.2023
- „Smartes Schwimmbad“: SWM testen den Einsatz von digitaler Technik im Becken, SWM, 02.06.2022
- Aufstieg zur nächsten Stufe der Pool-Sicherheit, lynxight
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